Starcraft 2 sorge


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      sky1977
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      Der Traumberuf

      Ich glaube, es war bei den Dragonern des Hugenottenkrieges im 16. Jahrhundert oder den Berserkern der germanischen Kriegerkaste, wo ich mich ernstlich fragte, ob nun die Geschichte Anleihen gemacht hatte oder diese Begriffe in Anbetracht mangelnden Erfindungsgeistes gewählt wurden.

      Dass schon sehr viel früher andere Leute, vor allem diejenigen, die sich selbst als Pädagogen verstanden – und dazu zähle ich auch meine Eltern – meinen gesunden Geisteszustand anzweifelten, kam mir erst an diesem Zeitpunkt wieder in den Sinn.

      Aber diesmal mit Nachdruck. Ich schreckte also von diesem Geschichtsbuch auf und starrte mit großen Augen ins Leere, wo mein Kopf mir vorspielte, dort irgendwo läge ein neuer Planet mit Rampen und Rohstoffen und verfeindeten Rassen, als mir ganz langsam gewahr wurde, dass diese Leere nur von der Dunkelheit herrührte, die mich umgab.

      Der Bildschirm war grade auf Sparmodus umgesprungen und hatte mich somit aus meiner Vertiefung mit der Geschichte gerissen.

      Also waren Berserker gar keine stolzen Krieger von Aiur? Und Dragoner keine wiedergekehrten tapferen Kämpfer?

      Machte es mir mehr angst, dass es Namen irdischen Ursprungs waren, oder dass es mir angst machte, dass sie irdischen Ursprungs waren?

      In diesem Moment wusste ich es einfach nicht zu sagen. Ich konnte nur sagen, dass eine Welt zusammenstürzte.

      Irdischen Urpsrungs. Das müsste doch heißen, dass die Protoss mit den Terranern… ich schüttelte heftig den Kopf, um die Gedanken wieder in geordnete Bahnen zu lenken und schaltete das Licht an.

      „Du bist verrückt.“ Stellte ich dann mit nüchterner Stimme fest. Diese Namen sind Erfindungen. Genau so wie das gesamte Spiel. Es ist völlig gleichgültig, woher diese Namen kommen.

      Ob die Protoss sich ein Spiel daraus gemacht hatten, die Geschichte der Menschen zu studieren? Oder vielleicht sind die Namen ihrer Krieger für Menschen einfach so unaussprechlich, dass sie sich für diese einfach Anleihen aus deren ureigenen Geschichte gemacht haben?

      „Es reicht!“ das war meine eigene Stimme. Ich sprang auf und marschierte mit schnellen Schritten ins Bad. Das Gesicht das mich da aus dem Spiegel anblickte, sah erbärmlich aus.

      Nicht hässlich oder anders als andere. Aber diesem Gesicht stand Schweiß auf der Stirn und die Augen schienen unregelmäßig zu flackern, als wäre irgendetwas hinter ihnen, das jeden Moment heraus brechen konnte. Und lieber für alle Zeiten dort versteckt sein sollte.

      Das Wasser, das dieses Gesicht berührte war eiskalt und brachte mir einen Teil meines verbliebenen Verstandes zurück.

      Ein Blick auf die viel zu große Digitalarmbanduhr am Handgelenk sagte mir, dass es bereits drei Uhr in der Nacht war.

      „Hm, gut. Dann sind es ja nur noch vier Stunden, bis ich aufstehen muss.“ Dachte ich ironisch bei mir und ließ die vergangenen neun Stunden vor meinem geistigen Auge noch einmal vorbeiziehen.

      Also das war direkt nach dem Abendessen. Der PC war an, Battle.net lief und da im Channel waren ein paar Anfragen auf Spiele. Da konnte ich natürlich nicht nein sagen.

      Schlachten gegen Terraner. Gegen Zerg und abtrünnige Protoss. Mit Terranern, mit Zerg und mit loyalen Protoss. Hier ein ruhmreicher Sieg. Dort eine bittere Niederlage.

      Und irgendwann, es muss so gegen zwei Uhr gewesen sein, fiel mir ein, dass morgen… nein, heute! … eine Geschichtsarbeit anstand.

      Also holte ich diesen Wälzer aus einer dunklen Ecke meines unordentlichen Zimmers und begann, darin zu lesen. Bis zu der Stelle… aber da waren wir ja schon.

      Jedenfalls überlegte ich mir, dass ich alles, was ich bis jetzt nicht gelernt hatte, nun auch nicht mehr lernen und mir ein paar Stunden Schlaf viel mehr bringen würden.

      Nach dieser gelungenen Diskussion fühlte ich mich besser und konnte beruhigten Gewissens in mein Bett gehen, um doch noch vier Stunden Schlaf zu erhaschen, bevor der Wecker viel zu früh klingeln würde.

      Später versuchte ich zu hoffe, dass ich mir das nur eingebildet hatte, aber als der Wecker mit einem hässlich piependen Ton klingelte und ich kerzengrade im Bett saß, da war es mir, als sei ich einer tödlichen Ladung Nuklearbomben gerade um Haaresbreite entkommen. Ein Schlachtfeld mit mächtigen Protosskriegern, geifernden Zergarmeen und rücksichtslosen Terranern zog an meinem geistigen Auge vorbei, um alsbald immer verschwommener zu werden und dann ganz zu verschwinden, bis ich mir nicht mal mehr sicher war, ob ich das wirklich geträumt oder nur angst hatte, ich könnte von so etwas schon träumen.

      Jedenfalls saß ich gar nicht so viel später im Klassenraum, völlig übermüdet – was ich durch häufiges und herzhaftes Gähnen auch wirklich jeden wissen ließ – und mit den Gedanken irgendwo zwischen Laken und Bettdecke, als mir jemand ein Stück Papier auf den Tisch legte und mit einem frohen Lächeln auf den Lippen viel Glück wünschte.

      Zumindest vermutete ich, dass es ein frohes Lächeln war, denn der gewaltige weiße Vollbart ließ nicht immer genau auf den Gemütszustand unseres Geschichtslehrers schließen.

      Im Grunde war das auch gar nicht so wichtig, denn ich hatte recht miese Laune. Und die Fragen, die auf diesem Zettel standen und unsere Klausur darstellten, trugen nicht gerade dazu bei, dass ich mich besser fühlte. Eher ein wenig das Gegenteil.

      „Bei der Belagerung von Rom im Jahre…“ Belagerung? Wieso eigentlich Belagerung? Das passendste Wort für den Charakter dieser miesen Gesellen, genannt „Terraner“ ist nicht etwa Marine oder Medic. Auch nicht Barracks oder Academy. Es ist wahrhaftig „Bunker“. Man sollte vielleicht Belagerungs – und Bunkerpanzer sagen. Oder kürzer und in den meisten Situationen passender einfach Bunkerpanzer. Aber das ist immer im Auge des Betrachters. Wenn ich Bunkerpanzer mache, dann ist es Verteidigung, kein bunkern. Aber wenn mein Gegner das gleiche tut, dann ist es bunkern. Und wenn jemand bunkert, dann ist es nicht ratsam, ihn anzugreifen.

      Also kann man folgern, dass, wenn der Gegner bunkert, man diesen Vorteil nutzen muss, um zu expandieren.

      Wenn also diese komischen Leute aus der Geschichte schlau waren, dann sind sie hinten aus der Stadt raus, haben ein paar neue gegründet, ein paar Kinder gemacht und dann die Bunkerer überrannt.

      Zu meiner Entschuldigung muss ich sagen, dass mir dieser Gedankengang in dem Moment wirklich logisch erschien. Dass ein Geschichtslehrer damit nicht so viel anfangen konnte, daran hatte ich ehrlich gesagt nicht gedacht.

      Jedenfalls teilte er meine strategische Einschätzung der Lage nicht.

      Die zweite Frage war aber weitaus kniffliger.

      „Beschreiben Sie die Entwicklung der Bezeichnung „Berserker“ von der einer Kaste zum allgemeinhin geläufigen Begriff unter Berücksichtigung bla bla bla“.

      Ja, so dachte ich mir, das ist eine gute Frage. Warum heißt der Berserker denn Berserker? Weil er alles, was ihm auf dem Weg liegt einfach Niedermetzelt? Weil er stark und mächtig ist?

      Ich dachte scharf nach. Plötzlich tauchte eine große Terraner Armee vor meinem geistigen Auge auf.

      Auf der einen Seite: Unmengen Adler. Eine Handvoll Goliaths. Und eine böse Anzahl Bunkerpanzer.

      Auf der anderen Seite: Berserker.

      Ich riss die Augen auf und schnappte nach Luft. Nicht gut!

      Unwillkürlich formte sich ein zweites Bild. Unmengen adrenalingetränkter Zerglinge. Gewaltige, stinkende Ultralisken, deren Zähne in der Abendsonne blinkten.

      Und ihnen gegenüber Berserker.

      Ich konnte einen Schrei in letzter Sekunde unterdrücken.

      Also gut, schloss ich, er kann den Namen nicht haben, weil er mächtig oder stark ist. Und schon gar nicht, weil er alles niedermetzelt. Dann also kann er den Namen nur davon haben, dass er Trotteln wie mir gehorcht und trotz aussichtslosem Kampf einfach drauflos rennt. Wie ein Berserker, nicht auf sein eigenes Leben achtend.

      Das zusammenfassend schrieb ich dann:

      Also ist der Name Berserker dadurch bekannt geworden, dass viele gute Krieger in sinnlosen Kämpfen als Kanonenfutter gestorben sind. Gegen Untiere. Gegen Menschen.

      Berserker wird man, indem man auf jemanden hört, der Befehle gibt. Auch wenn diese unsinnig erscheinen. Einfach nicht nachdenken, nur befolgen, selbst wenn man als Kanonenfutter in den Kampf geschickt wird.

      Dass man das auch anders interpretieren konnte, darauf war ich in dem Moment gar nicht gekommen.

      Erst als meine Mutter mich nach einem langen Gespräch mit meinem Lehrer darauf ansprach, ob ich nicht doch lieber verweigern und den Zivildienst antreten wolle, kamen mir leise Zweifel.

      Nichts ernstes, aber Zweifel.

      Ernst wurde es wohl erst, als auch die Schulschwester meinen Eltern nachdrücklich empfahl, professionelle Hilfe hinzu zu ziehen, als sie mir zur Beruhigung – ich hatte eine 6 in der Klausur und wollte einfach nicht einsehen, warum meine Strategie mit dem Overmacro gegen Bunkern falsch sein sollte – eine Spritze gab und ich es mir nicht nehmen ließ, einen Marine zu spielen. Was soll ich sagen? Es war kindisch.

      Nachdem ich für einige Zeit in eine Nervenheilanstalt eingewiesen wurde, verbesserte sich eigentlich gar nichts.

      Den Herrn Oberdoktor, Professor Dr. Harry Ivan Veern nannte ich immer Herr-i-ver, weil er genauso elegant von einem Ort zum anderen kroch und in den Gesprächen mit mir etwa den selben IQ aufwies wie diese verfluchten Roboter.

      Ich meine, wenn man nicht einmal versteht, warum ich zwei Stühle und einen Tisch vor meine Tür stelle und man unter dem Tisch (unter dem Tisch! Nicht über die Stühle. Das geht doch gar nicht…) hergehen muss, um raus oder rein zu kommen, dann hat man meiner Meinung nach keinen Titel „Professor“ oder auch „Doktor“ verdient.

      Keiner von den Leuten da hatte in irgendeiner Weise auch nur den leisesten Hauch einer Ahnung, wofür mein Gespür für Strategie gut war.

      Ich versuchte die Leute aufzuklären, dass die Queen ein hässliches Wesen mit Parasiten war, das die Fähigkeit besaß, andere mit ihrem Netz einzufangen und Gebäude zu verseuchen. Aber man nannte mich nur eine taktlose Person und schenkte mir keinen Glauben.

      Und so offensichtliche Dinge wie verseuchte Terraner… nein, man erfindet neue Begriffe, um mich als Idioten darzustellen. Wie sagten sie? Selbstmordattentäter. Blöder Name.

      Und meiner Logik: Keine Queen – keine „Selbstmordattentäter“ konnten sie auch nicht folgen.

      Arme Geister, die nicht einmal die einfachsten Zusammenhänge durchblicken. Aber mich in eine Anstalt stecken. Wie weit ist es mit der Erde gekommen?

      Eines Tages – ich war grade dabei, mir eine Strategie zu überlegen, wie man am effektivsten Eingraben beim Fußballspielen verwenden kann, kam ein Herr, der mich sprechen wollte.

      Er kroch unter dem Tisch hindurch – was mich sehr wunderte – nickte dem selbstgemalten Bild zu, das eine Zerg Base inklusive Armee zeigte und rief „haaaaatcheryyy“.

      Da wusste ich, was dieser Auftritt zu bedeuten hatte.

      Was soll ich sagen? Mittlerweile macht es mir nichts mehr aus, verrückt zu sein.

      Denn ich verdiene gutes Geld damit und koreanisches Essen schmeckt ausgezeichnet.

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