Activision Blizzard: Interview mit Experte Florian Müller von FOSS Patents

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Image: Activision Blizzard / Depositphotos

Lest euch hier ein ausführliches Interview von XboxDynasty mit dem Experten Florian Müller von FOSS Patents durch.

Florian Müller ist, wie bereits erwähnt, ein Experte im Kartellrecht. Trotz seines Fachwissens und seiner Betreuungsmandate, möchten wir auf Folgendes hinweisen: Florian Müller äußert im Interview mit XboxDynasty seine eigene Meinung und seine Glaubwürdigkeit als Kommentator solcher Verfahren hängt davon ab, dass er richtig analysiert und vor allem seine Prognosen über den Ausgang von Verfahren möglichst oft eintreten.

Activision Blizzard: Exklusives Interview mit FOSS Patents – Florian Müller

Hey Florian, vielen Dank, dass du dir Zeit für uns von XboxDynasty nimmst, um ein Interview zu führen. Bitte stell dich kurz vor und sag uns, welche Expertise du mitbringst und worüber du auf deiner Website fosspatents berichtest.

Hi Tobias, danke dir für dein Interesse an meinen Analysen. Ich bin schon sehr lange in dieser Branche unterwegs. Meine Verbindung zu Activision Blizzard King geht lange zurück. Ich war 1995 der erste Mitarbeiter — als Berater, aber in großem Umfang — von Blizzard außerhalb der USA. Damals habe ich koordiniert, wie Warcraft II auf den deutschen Markt gebracht wurde, und es auch gleich noch ins Deutsche übersetzt.

Ich habe auch Apps entwickelt und aktuell eine Productivity App in Arbeit. In der Branche kennt man mich am ehesten wegen dem Blog, den du angesprochen hast: FOSS Patents. Ungefähr die Hälfte der Leser von FOSS Patents ist in den USA ansässig und auch in Asien habe ich immer mehr Stammleser. Am Anfang waren die großen Themen die „Smartphone Patent Wars“ wie Apple vs. Samsung. Das Themenspektrum hat sich mit der Zeit erweitert, so dass ich auch über kartellrechtliche Themen schreibe, die mich als App-Entwickler interessieren — und ganz selten sogar über die Anwendung des Kartellrechts auf den Fußball im Zusammenhang mit der sogenannten European Super League. Aktuell bin ich übrigens für einen der Antitrust Writing Awards — Antitrust Law ist der englische Begriff für Kartellrecht — nominiert.

Im Interesse der Transparenz möchte ich auch darauf hinweisen, dass ich zahlreiche Beratungsmandate habe und in Fragen, die mich als App-Entwickler berühren, auch Microsoft berate. Das steht in meinem Blog im Autorenprofil. Ich äußere trotzdem meine eigene Meinung und meine Glaubwürdigkeit als Kommentator solcher Verfahren hängt davon ab, dass ich richtig analysiere und vor allem meine Prognosen über den Ausgang von Verfahren möglichst oft eintreten.

In diesem Interview geht es ausschließlich über die Übernahme von Activision Blizzard durch Microsoft, die sich seit Monaten durch die Medienlandschaft zieht und worüber auch wir – auch mit deiner Hilfe – viele besondere Details ans Tageslicht bringen konnten. Erst einmal Danke dafür.

Nun zu meiner ersten Frage: In der Vergangenheit hat Microsoft zahlreiche Argumente für eine Übernahme gebracht und seinen Standpunkt mehr als deutlich offengelegt. Gleichzeitig hat Sony mögliche Bedenken geäußert, obwohl man selbst diese „bedenklichen“ Geschäftspraktiken, die man Microsoft unterstellt, seit Jahren selbst anwendet.

Wir reden hier von exklusiven Inhalten, zeitlich exklusiven Deals oder Verträgen, die eine Veröffentlichung in Abo-Diensten wie den Xbox Game Pass blockieren. Als Außenstehender denkt man vielleicht: Wieso werden von den Regulierungsbehörden diese Machenschaften von Sony nicht angekreidet, schließlich nutzt der Marktführer hier klar seine Rolle aus, oder? Was sagst du dazu?

Es ist bemerkenswert, dass Sony behauptet, Microsoft würde eine Strategie verfolgen, die niemand in ähnlich großem Stil verfolgt wie Sony selbst. Vor allem aber, wenn Microsoft seit einiger Zeit klar und deutlich sagt, dass sie gar nicht die Absicht haben, Call of Duty von der PlayStation zu nehmen, und einen Vertrag anbieten, der „parity“ — Gleichbehandlung — in jeder Hinsicht garantiert: Release-Zeitpunkt, Features, Leistung usw. usf..

Sony ist nicht nur Marktführer, sondern es hat einen riesigen Vorsprung. Es beherrscht den Markt. Für Sony ist es viel „billiger“, sich Exklusivrechte zu sichern, weil den Spieleherstellern, die auf eine Xbox-Veröffentlichung verzichten, weniger Umsatz entgeht als umgekehrt.

Ob die Kartellbehörden sich das mal näher ansehen sollten, ist eine berechtigte Frage, die du aufgeworfen hast, würde uns aber hier zu weit führen.

Welche Bedenken von Sony sind deiner Meinung nach gerechtfertigt?

Soweit es nur um die Übernahme von Activision Blizzard King geht, sehe ich gar keinen Grund zur Sorge. Würde Microsoft danach weitere große Zukäufe tätigen — denken wir an EA, Take Two oder Epic Games — dann könnte es eventuell anders aussehen.

Der Spielemarkt wird aber auch nach der Transaktion, über die wir hier reden, weiter stark fragmentiert bleiben. Das ist kein konzentrierter Markt wie z. B. für Mobilfunknetzbetreiber oder Fluglinien mit hohen Eintrittsbarrieren. Es kommen riesige Erfolge wie PlayerUnknown’s Battlegrounds aus dem Nichts.

Natürlich ist Microsoft in der Summe aus allen Geschäftsbereichen größer als Sony, aber das ändert nichts daran, dass Sony über riesige Ressourcen verfügt.

Sony konstruiert also Theorien, die kartellrechtlich keine Substanz haben. Das Kartellrecht ist nicht dafür da, einzelne Marktteilnehmer zu schützen, sondern den Markt, den Wettbewerb.

Und glaubst du, dass Microsoft mit seiner Strategie die Bedenken von Sony und der Regulierungsbehörden weitestgehend aus dem Weg räumen kann?

Ja, aus zwei Gründen. Erstens glaube ich, dass die Kartellbehörden selbst wissen, sie haben rein rechtlich hier gar keine Grundlage für eine Untersagung. Die Messlatte dafür liegt einigermaßen hoch und dieser Deal extrem weit darunter. Zweitens aber sagt Microsoft, dass sie trotzdem bereit sind, eine konstruktive Lösung zu ermöglichen.

Mit Nintendo und Nvidia ist das bereits durch Vertragsabschlüsse gelungen. Nur Sony sperrt sich, aber Sony hat kein Vetorecht. Die Regulierer können jederzeit sagen: hier liegt etwas auf dem Tisch, was alle behaupteten Probleme löst, und wenn Sony es nicht annimmt: selbst schuld.

Microsoft hatte eine Anhörung in Brüssel und hatte einiges in petto, was für eine Übernahme spricht. Wie gut hat sich deiner Meinung nach Microsoft geschlagen?

Wie die Anhörung lief, ist nicht bekannt. Die EU-Kommission legt großen Wert darauf, dass alles vertraulich bleibt. Aber Microsoft hat direkt davor einen formalen Vertragsabschluss mit Nintendo bekannt gegeben — dass man sich grundsätzlich einig war, war schon im Dezember bekannt, aber nun hatte man auch alle Details festgezurrt und unterschrieben — und direkt danach eine Vereinbarung mit Nvidia.

Beide Verträge stehen unter der aufschiebenden Bedingung, wie es im Juristendeutsch heißt, oder der „condition precedent“ auf Englisch, dass Microsoft natürlich Nintendo für seine Konsolen und Nvidia für seinen Streamdienst GeForce Now nur dann Activision-Blizzard-Content geben kann, wenn auch vorher die Übernahme durchgeht.

Die Kombination dieser beiden Verträge dürfte Sony den Wind aus den Segeln genommen haben.

Es gab davor nur drei Unternehmen, die als Deal-Kritiker bekannt waren: Sony, Google und Nvidia. Von denen war Sony auch der Einzige, der sich auch öffentlich gegen den Deal gestellt hat.

Von Google und Nvidia wusste man nur, dass sie Bedenken vorgetragen haben. Googles angebliche Bedenken sind ohnehin völlig absurd. Diese laufen darauf hinaus, dass Microsoft durch Activision Blizzards Spiele seine Marktposition bei PC-Betriebssystemen stärken würde. Ich glaube nicht, dass Call-of-Duty-Spieler die typischen Chromebook-Käufer sind.

Nvidia hat darauf abgestellt, dass im entstehenden Markt für Cloud Gaming der Zugang zu populärem Content gesichert werden müsste. Nun aber ist auch Nvidia für das Zustandekommen der Transaktion.

Dass eine so kompetente Firma wie Nvidia — die bei allem Respekt auch technologisch viel beeindruckender ist als Sony — sich mit der von Microsoft vorgeschlagenen Lösung wohlfühlt, lässt Sony als reinen Querulanten erscheinen, der nicht konstruktiv ist, sondern einfach nur den Deal verzögern und nach Möglichkeit verhindern will.

Am Donnerstag hat die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, dass laut informierten Kreisen die EU mit Microsofts Lösungsvorschlägen einverstanden ist, jedenfalls nicht auf einer Abspaltung von Call of Duty bestehen wird. Das deutet darauf hin, dass die Anhörung für Microsoft sehr gut gelaufen sein könnte — oder wenn es nicht schon die Anhörung selbst war, dann jedenfalls das, was in der kurzen Zeit seitdem passiert ist.

Call of Duty ist das Thema, wenn es um Activision Blizzard geht. Laut meines Kenntnisstands hat Sony hat Angst, dass Microsoft die Franchise für die PlayStation einschränken könnte, während Microsoft eine verbindliche Parität für die nächsten 10 Jahre angeboten hat, was Sony aber ablehnt.

Dazu sagte Microsoft, dass Call of Duty für 150 Millionen mehr Kunden, die das Spiel heutzutage auf ihrem Gerät nicht spielen können, in Zukunft bekommen werden. Welche Argumente im Fall Call of Duty sind deiner Meinung nach für oder gegen die Übernahme „besser“?

Es geht schon damit los, dass es überhaupt keinen Sinn für Microsoft machen würde, Call of Duty von der PlayStation zu nehmen oder die PlayStation-Spieler zu benachteiligen. Die Umsatzverluste mit dem Spiel wären viel größer als der mögliche Nutzen für die Xbox. Es wurden Umfragen durchgeführt, vom chilenischen Kartellamt, aber auch von der britischen Competition & Markets Authority (CMA).

Die Zahlen zeigen, dass die meisten Spieler eher ein Spiel als eine Konsole wechseln, und du und ich können uns das auch leicht vorstellen. Außerdem gäbe es für Microsoft einen erheblichen Imageschaden. Selbst wenn man sich dann vorstellt, Microsoft wäre des Wahnsinns und würde das trotzdem machen, und man dann auch noch annimmt, die Umfragen wären alle falsch und jeder Spieler der PlayStation-Version von CoD würde zur Xbox wechseln, bliebe Sony mit großem Abstand Marktführer.

Aber ignorieren wir das alles mal, dann erledigt sich das Thema aufgrund von Microsofts Angebot, die angesprochene „Parity“ für 10 Jahre verbindlich zuzusichern. Das ist eine halbe Ewigkeit. Der kartellrechtliche Maßstab für Lösungen möglicher Probleme, die sich aus Übernahmen ergeben, ist übrigens der, dass andere Marktteilnehmer genug Zeit bekommen sollen, um sich notfalls Alternativen zu suchen.

Leider gibt es Spielejournalisten (und da meine ich natürlich nicht eure Seite), die Sonys krampfhafte Suche nach einem Haar in der Suppe ernst nehmen. Der rechtliche Maßstab für sogenannte merger remedies ist aber nicht, dass eine Übernahme nicht auch Folgen haben kann, die einen Wettbewerber veranlassen, sich mehr anzustrengen. Sony mag dagegen sein, dass Microsoft mehr Spiele-Content im Rahmen von Abos anbieten will, aber jede/r Spieler/in wird das am Ende für sich entscheiden, wie populär Abomodelle und Streaming werden –nicht Sony, die Spielehersteller, die Presse oder die Regulierungsbehörden. Sonst wäre das kein Wettbewerb.

Sony ist der Marktführer im Gaming und Konsolen-Sektor. Das ist unumstritten – warum wird jedoch den Bedenken des Marktführers so viel Gewichtung geschenkt? Ich meine, es ist doch klar, dass ein Marktführer versucht, so wenig Marktanteile wie möglich abzugeben und sich auch mit so wenig Konkurrenz wie möglich herumschlagen will,  oder wie siehst du das?

Du sprichst etwas an, was wirklich verrückt ist. Hier will der marktbeherrschende Akteur unter Artenschutz gestellt werden. Das ist eine — sorry — Perversion des Kartellrechts.

Dass Sony dafür nicht ausgelacht wird, hat Gründe, die mit dem konkreten Deal nichts zu tun haben. Man weiß, dass es in der Vergangenheit ein „underenforcement“ gegeben hat: das Kartellrecht wurde manchmal nicht durchgesetzt, wo man es hätte tun sollen. Beispielsweise habe ich von Anfang an nicht verstanden, dass man Facebook die Übernahme von WhatsApp erlaubte, und auch die von Instagram war nicht gut für den Wettbewerb. Die Uhr kann man aber nicht zurückdrehen.

Der andere Punkt ist, dass die Macht der sogenannten „Big Tech“-Konzerne vielen Politikern und Regulierern zu groß geworden ist. Also unterzieht man solche Deals einer besonders eingehenden Prüfung.

Ohne diese Umstände hätte man Sony einfach ausgelacht.

Für viele scheint die Übernahme klar zu sein, denn Sony ist mit der PlayStation absoluter Marktführer und Microsoft mit der Xbox weit abgeschlagen. Microsoft selbst schätzt die Verteilung allein in Europa im Verhältnis 80/20 (80 % PlayStation und 20 % Xbox) ein. Richtige Konkurrenz würde dem Gaming-Markt sicher guttun, was Preise, Angebote und die Weiterentwicklung für den Kunden verbessern würde, oder?

Die 80-20-Verteilung ergibt sich ja daraus, dass Sony aus taktischen Gründen gegenüber den Kartellämtern behauptet, Nintendo gehöre nicht zum relevanten Markt. Einen Konsolenmarkt ohne Nintendo sehe ich zwar nicht und auch Microsoft sieht das anders, aber wenn man sich Sony nur als Gedankenspiel anschließt, dann ist das Kräfteverhältnis in der Tat absurd.

Für PlayStation-Spieler wird der Deal keine Nachteile haben. Sie werden nichts verlieren, was sie derzeit haben und eher davon profitieren, wenn Sony meint, sich mehr anstrengen zu müssen.

Eine Ablehnung der Übernahme gleicht demnach einzig und allein dem Schutz des Marktführers, richtig?

Wenn das das einzige Problem wäre…

Es sieht ja nach den letzten Presseberichten über den Stand der Verfahren in Brüssel und London ganz gut aus, aber nehmen wir an, der Deal würde platzen, dann wäre das eine verpasste Chance.

Microsoft will mit einem eigenen Mobile App Store das Duopol (wie ein Monopol, nur eben von zwei Firmen) von Apple und Google im Vertrieb von Smartphone-Apps herausfordern.

Die EU hat letztes Jahr ein Gesetz erlassen, den Digital Markets Act, das sogar Apple dazu zwingen wird, ab 2024 alternative App Stores zuzulassen. Damit so etwas funktionieren kann, braucht man aber auch Apps, die viele User anziehen. Sonst stellen auch keine App-Entwickler ihre Apps dort rein, weil keiner dort auf die Suche nach interessanten neuen Apps gehen würde. Ich würde es sehr bedauern, wenn diese Vision nicht Realität werden könnte, denn ich finde aus Entwicklersicht die Situation im App-Bereich unerträglich.

Aber auch im Hinblick auf Call of Duty allein wäre es nicht gut. Microsoft sagt, seine Verträge mit Nintendo und Nvidia haben das Potenzial, CoD für 150 Mio. weitere Verbraucher verfügbar zu machen. Das ist die Summe der Userzahlen der betreffenden Plattformen.

Warum sehen das die Regulierungsbehörden nicht das, was viele Gamer denken? Und warum sollte plötzlich ein Konkurrenzkampf auf Augenhöhe zu höheren Preisen und Einschränkungen führen? Vor allem, wenn der Marktführer mit seinen enormen Marktanteilen nicht mehr alles machen und weniger fordern kann, um die Konkurrenz „kleinzuhalten“, wie Phil Spencer von Microsoft bereits geäußert hat?

Ich habe weiter Vertrauen in die Kartellämter, dass sie es sehen. In einigen Ländern ist ja die Freigabe auch ohne Bedingungen erteilt worden, und gerade die Entscheidungen aus Brasilien und Chile waren wirklich fundiert und überzeugend.

Die haben sich nämlich darauf konzentriert, was die Übernahme im Ergebnis für die Spieler bedeutet. Nur weil es sich um Länder handelt, die noch keine große Kartellrechtstradition haben, sollte man die Kompetenz der zuständigen Personen dort nicht unterschätzen. Die sind wirklich gut.

Du hast selbst darüber berichtet, dass das Vorgehen von Sony – keine Einigung mit Microsoft zu erlangen und sich auch nicht auf Verhandlungen einzulassen – am Ende nach hinten losgehen und sich als kontraproduktiv herausstellen könnte. Erkläre uns bitte im Detail, was du damit meinst, denn das ist wirklich interessant.

Sicher wird Microsoft auch dann, wenn Sony sich sperrt, trotzdem Call of Duty weiter auf der PlayStation anbieten. In der Hinsicht hat Sony nichts zu verlieren, aber es droht eine andere Gefahr, nämlich Verfahren sowohl durch Kartellämter als auch in Form von Sammelklagen im Namen von Verbrauchern. Wenn es zu keiner Einigung kommt, dann werden in USA öffentliche Prozesse stattfinden. Für August steht im Verfahren der Federal Trade Commission — einer von zwei Behörden in USA, die Fusionen prüfen — ein solcher an.

In Kalifornien läuft etwas, was faktisch eine Sammelklage ist, die nur darauf abzielt, Anwaltsgebühren rauszuschlagen. Kommt es zu einem Prozess in San Francisco, ist der noch viel öffentlicher und wahrscheinlich auch länger als das Verfahren der FTC.

Dort wird es dann um Sonys eigene Strategie gehen, insbesondere um Sonys Exklusivdeals mit diversen Spieleherstellern. Das kann Verfahren gegen Sony nach sich ziehen, in denen Sony auch ganz sicher kein Interesse daran haben wird, dass der rechtlich relevante Markt auf PlayStation und Xbox beschränkt wird. Denn je enger der Markt, desto größer Sonys Marktanteil, und je größer der Marktanteil, desto schwieriger ist es, gewisse Verhaltensweisen zu verteidigen.

Sony musste erst kürzlich eine Niederlage hinnehmen und der Antrag, dass man Microsoft keine Auskünfte geben muss, wurde abgelehnt. Ist Sony jetzt wirklich verpflichtet, die Vorgehensweise für exklusive Deals etc. für die PlayStation der letzten fünf Jahre offenzulegen?

Im ersten Schritt sehen das alles zwar nur Microsofts Anwälte. Aber diese dürfen dann die stärksten Argumente entwickeln, die sich aus allen diesen Fakten ergeben. Auch wenn es zu Prozessen in USA kommen sollte, kann Sony zwar darum bitten, bestimmte Informationen geheim zu halten. Aber das, was an die Öffentlichkeit gelangt, wird immer noch sehr interessant sein.

Das gilt nicht nur für die Prozesse, sondern in deren Vorfeld und Nachgang werden viele Anträge gestellt. Auch wenn in diesen Anträgen und den Anlagen manche Geschäftsgeheimnisse geschwärzt werden, bleibt immer noch sehr viel Information übrig.

Könnte Sony diese Offenlegung noch mit einer Einigung in letzter Sekunde umgehen, damit Microsoft keinen Einblick in diese Dokumente bekommt?

Sony hat das nicht mehr allein in der Hand. Sony ist ja nicht die klagende Partei, sondern im einen Verfahren ist es die FTC, im anderen sind es auf Sammelklagen spezialisierte Anwälte. Würde Sony sich mit Microsoft einigen, wäre allerdings die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöht, dass die FTC ihre Klage zurückzieht. Den Sammeklage-Anwälten könnte Sony notfalls einfach Geld bieten.

Also wird jetzt die dreckige Wäsche gewaschen?

Das Risiko besteht für Sony, aber im Moment gehe ich eher davon aus, dass bis Ende April die Freigaben aus Brüssel und London vorliegen und dann auch die FTC noch einmal gründlich nachdenken wird.

Was, glaubst du, könnten diese Dokumente zum Vorschein bringen?

Allgemein gesagt könnte es auch vielen PlayStation-Fans zeigen, dass Sony eben in erster Linie an Sony denkt und nicht an die Spieler, wenn es Verträge mit Spieleherstellern abschließt. Außerdem könnte vieles, was bei Sony kommuniziert wurde, die Behauptungen von Sony, warum diese Übernahme so schlimm wäre, ad absurdum führen. Da könnten Äußerungen zu finden sein, wonach Call of Duty zwar wichtig, aber auch wieder nicht zwingend für die PlayStation nötig wäre bzw. dass Call of Duty eher die PlayStation braucht als umgekehrt.

Bist du der Meinung, dass diese Sony-Dokumente am Ende die Verteidigung von Microsoft stärken – und eher für oder eher gegen die Übernahme sprechen?

Ich habe schon eine Vielzahl von US-Prozessen erlebt und Sony wäre die erste Partei, bei der sich nicht am Ende Widersprüche zwischen ihrer offiziellen rechtlichen Position und der Realität sowie der früheren internen Kommunikation zeigen würden.

Welche Faktoren, Termine und Feststellungen der Regulierungsbehörden sind deiner Meinung nach am wichtigsten?

Die letzte Aprilwoche wird spannend. Am 25. (Dienstag) entscheidet die EU-Kommission, am Tag darauf die britische CMA und weitere zwei Tage später die New Zealand Commerce Commission.

Die amerikanische FTC müsste in etwa in diesem Zeitraum zu einem federal district court (Bundesbezirksgericht) rennen und eine einstweilige Verfügung. also eine vorläufige Entscheidung im Eilverfahren, beantragen, damit Microsoft nicht einfach den Kauf abschließen kann. Denn es ist viel schwerer, später einen Gerichtsentscheid zu erwirken, dass Activision Blizzard abgespalten werden müsste.

Die FTC hat Meta (Facebook) an der Übernahme von Within (Fitness-Apps für Virtual-Reality-Geräte) hindern wollen, aber die einstweilige Verfügung nicht bekommen, weil ihre Argumente zu schwach waren. So würde es hier auch laufen, glaube ich. Dann wäre der Weg frei.

Selbst Gewerkschaften (CWA in den USA) haben sich für eine Übernahme starkgemacht, da dies die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter von Activision Blizzard durch Microsoft schlagartig verbessern würden. Was denkst du darüber? Sind diese Argumente eigentlich bei den Behörden angekommen?

Es ist ein neuer Trend im US-Kartellrecht, auch an die Interessen der Beschäftigten zu denken. Täte die FTC das hier, müsste sie allerdings feststellen, dass Microsoft mehr als jeder andere große Technologiekonzern einen partnerschaftlichen Umgang mit Gewerkschaften pflegt.

Für Europäer ist schwer vorstellbar, welche Steine den Gewerkschaften in den USA in den Weg gelegt werden, beispielsweise von Apple, das sogar Fake-Gewerkschaften bildet, die es selbst kontrolliert. Microsoft ist hier eine rühmliche Ausnahme und das begrüßen die US-Gewerkschaften.

Microsoft hatte verkündet, dass man Ende Juni 2023 mit der Übernahme durch sein will. Hältst du das mit dem Kenntnisstand von heute noch realistisch?

Der Übernahmevertrag zwischen Microsoft und Activision Blizzard King hat einen Stichtag im Juli. Gegenüber der Richterin, die die Sammelklage in San Francisco bearbeitet, hat Microsoft sich verpflichtet, frühestens am 1. Mai den Kauf zu vollziehen.

Ich würde im Moment darauf tippen, dass der Abschliuss im Mai erfolgt, allerdings nicht als Punktlandung am 1. Mai.

Warum könnte die Übernahme deiner Meinung nach noch länger dauern – bzw. Ende Juni vom Tisch sein? Was passiert, wenn sich beispielsweise die EU für eine Übernahme ausspricht, das Vereinigte Königreich sich aber dagegen entscheidet? Und was ist mit der FTC aus den USA?

Theoretisch gibt es diverse Szenarien, z. B. wenn die EU-Kommission oder die britische CMA den Kauf untersagen würde, auch wenn ich das nach den gestrigen Meldungen von Bloomberg und Reuters nicht glaube. Dann müsste Microsoft diese Entscheidungen vor Gericht anfechten, was auf jeden Fall länger dauern würde.

Auch, wenn die FTC wider Erwarten doch eine einstweilige Verfügung erwirken könnte, wäre erstmal der Deal blockiert. Dann käme es darauf an, ob sich Microsoft mit den Aktionären von Activision Blizzard King auf eine Verlängerung einigen kann, um Hindernisse aus dem Weg zu räumen.

Welche Entscheidung fällt deiner Meinung nach mehr ins Gewicht? EU, UK (CMA) oder USA (FTC)?

Alle drei sind wichtig, aber die FTC benötigt, wie zuvor erwähnt, Hilfe der Gerichte, während es in der EU und dem UK genau andersherum ist: hier bräuchte Microsoft die Hilfe der Gerichte, falls es eine negative Entscheidung bekäme.

Okay, Butter bei die Fische – was denkst du? Wird der Deal durchgehen oder blockiert?

Er wird durchgehen auf Grundlage verbindlicher und notfalls durchsetzbarer Zusagen von Microsoft — und weil nach rein rechtlichen Maßstäben selbst ohne diese Zusagen keine Basis für eine Untersagung bestehen würde.

Vielen Dank für deine Zeit und Beantwortung der vielen Fragen. Möchtest du den Lesern von XboxDynasty noch etwas mitteilen?

Danke, gleichfalls, hat mich gefreut. Auch danke dafür, dass ihr immer wieder meine Meldungen aufgegriffen habt.

An die Leser gerichtet: Auch eure Freunde, die lieber auf einer PlayStation spielen, haben hier nichts zu befürchten. Das hier ist keine Frage von Siegern und Besiegten in den „Console Wars“. Sony hat sich nicht im Interesse der Spieler gegen diese Übernahme gestellt, und Sony ist vor allem kein glaubwürdiger Verfechter des „cross-play“ über Plattformen hinweg. Im Rechtsstreit zwischen Epic Games und Apple um die Verfügbarkeit von Fortnite im App Store kam ja heraus, dass Sony sogar noch restriktivere Regeln hat als Apple und Epic darum kämpfen und Sony eine Beteiligung an seine Firma geben musste, um wenigstens etwas mehr Flexibilität zu erreichen. Sony nutzt knallhart seine Macht über einen sogenannten walled garden aus. Diese Macht will es zementieren. Die Transaktion nützt am Ende allen Spielern, natürlich der Xbox-Community, aber eben auch euren Freunden, die eine PlayStation haben. Außerdem habt ihr alle auch Smartphones, und dort wird es auch große Vorteile bringen, wenn sich der Markt öffnet.

Beste Grüße – Florian

 

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82 Kommentare Added

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  1. Terio 39155 XP Bobby Car Rennfahrer | 05.03.2023 - 17:21 Uhr

    Gutes & interessantes Interview insgesamt. Danke dafür. Teile des letzten Abschnitts verstehe ich aber nicht ganz:

    „Auch eure Freunde, die lieber auf einer PlayStation spielen, haben hier nichts zu befürchten. […] Die Transaktion nützt am Ende allen Spielern, natürlich der Xbox-Community, aber eben auch euren Freunden, die eine PlayStation haben.“

    Die Regelung für 10 Jahre gilt doch nur für Call of Duty. Was ist mit all den anderen Games von ABK? Davon wird bestimmt ein Teil exklusiv, wie schon bei Bethesda. Was haben also Playstation Gamer davon? Und bevor mich hier wieder die üblichen Verdächtigen anmachen: So eine Aussage von Microsoft (Brad Smith hat ja dasselbe gesagt) kann halt am Ende gegen sie verwendet werden. Es gibt viel bessere Argumente für die Übernahme, dieses hier ist meiner Meinung einfach keines. Vllt. übersehe ich ja auch etwas offensichtliches.

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    • shadow moses 200735 XP Xboxdynasty Veteran Bronze | 05.03.2023 - 17:54 Uhr

      Ich denke auch, dass die meisten Spiele nicht mehr auf der Playstation erscheinen werden. Positiv für diese Kunden könnte sein, dass Sony eben Marktanteile verliert. Dadurch werden sie gezwungen sich mehr um die Kunden zu bemühen. Preislich sind sie ja fast überall höher bzw. haben die Preise früher erhöht. Dazu eben auch so Sachen, wie dass der PS4 Controller nicht bei den PS5 Spielen funktioniert.

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      • Master99 68120 XP Romper Domper Stomper | 05.03.2023 - 21:18 Uhr

        Das mit den Controller kann ich sony noch am wenigsten vorwerfen. Die neuen Funktionen sind ja schlecht vom ps5 controller.
        Immerhin kann man den ps4 Controller an der ps5 nutzen, bei Nintendo ist es ja noch schlimmer.

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        • Jeridian 10655 XP Sandkastenhüpfer Level 1 | 06.03.2023 - 00:16 Uhr

          Aber auch nur für PS4 Games. Selbst wenn das Spiel nichts vom PS5 Controller unterstützt, geht ein PS4 Controller trozdem nicht.

          0
          • shadow moses 200735 XP Xboxdynasty Veteran Bronze | 06.03.2023 - 08:18 Uhr

            Das meine ich. Warum kann man bitte den PS4 Controller nicht bei PS5 Spielen nutzen, nur eben dann ohne die Dualsense Funktionen? Das ist einfach Absicht von Sony, um mehr Dualsense zu verkaufen. Wenn Sony nicht mehr klarer Marktführer ist, können sie sich solche Aktionen nicht mehr so leicht leisten.

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  2. Tim Timebump 14480 XP Leetspeak | 05.03.2023 - 17:37 Uhr

    Echt schön mal was von jemanden zu lesen der Ahnung hat. Ein wirklich lesenswertes Interview.
    Sony was soll man da noch sagen. Hab das ja schon früher geschrieben. Siehe Sega. Die hätten am liebsten gar keine Konkurrenz.
    Echt unglaublich wie sie versuchen ihre Dominanz zu verteidigen.
    Muss allerdings auch sagen das MS einige offene Baustellen hat. Xbix Europa, Werbung in Deutschland, Exklusive Content..
    Ich hoffe wenn dieses Theater vorüber ist lassen sie es ordentlich krachen.

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  3. LPStormi 23355 XP Nasenbohrer Level 2 | 05.03.2023 - 19:33 Uhr

    Vielen Dank für das sehr Informative Interview und der letzte Absatz sagt alles.

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  4. Zecke 177175 XP P3P3 L3 P3W P3W Shot 3 | 05.03.2023 - 21:00 Uhr

    Sony sollte die Backen halten. Langsam ist auch mal gut.

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  5. Don Lui 26120 XP Nasenbohrer Level 3 | 05.03.2023 - 21:10 Uhr

    Der Deal scheint zu 99,99% durch zu sein… Trotzdem gibt’s bei mir noch keine Jubelstürme! Ich feier erst wenn’s ne offizielle Pressemitteilung von Microsoft gibt…

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    • Lucky Mike 4 70455 XP Tastenakrobat Level 1 | 06.03.2023 - 10:29 Uhr

      Ich feier erst, wenn sich durch den Deal Vorteile für mich persönlich ergeben. Wie z.B. weitere große Titel im Gamepass. Die müssen nicht mal Exklusiv sein, gern dürfen die auch auf PS erscheinen. Hauptsache GP. Und… weniger Exklusiv für PS oder Zeitexklusiv oder Sperrklauseln für 3. Games. Sowas würde ich dann feiern 🎉🤩

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  6. Sc4ry Pumpk1n 6150 XP Beginner Level 3 | 06.03.2023 - 00:28 Uhr

    Wirklich anschauliches und interessant geführtes Interview, mir geht die Übernahmedebatte nur langsam mächtig auf den Docht. Big Player a wirft Big Player b den Raub der Sandkastenschippe vor und muss sich bei Mami ausweinen, was anderes ist das doch mittlerweile nicht mehr.

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  7. shdw 909 66215 XP Romper Domper Stomper | 06.03.2023 - 11:53 Uhr

    Habe es mit großer Begeisterung gelesen. Danke für die Mühe und den Einblick in die Sicht eines Profis 💪🏻

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  8. Lomear 1270 XP Beginner Level 1 | 09.03.2023 - 12:58 Uhr

    Danke Florian und natürlich XBOXDynasty.
    Sehr informativ und gut verständlich.

    Vielleicht wäre so ein Interview auch mal etwas für play3, etc. ^^ Dann würden die Blauen auch mal die Vorteile für sich erklärt bekommen und nicht wie Lemminge Sony überall hin folgen.

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